Sachsenheimer
Nachrichtenblatt
Mobilität von morgen in
der Diskussion
Im Foyer des Lichtenstern-Gymnasiums
fanden sich zum 19. Sachsenheimer
Wirtschaftsgespräch
rund 130 Besucher ein, um die Podiumsdiskussion
zum Schwerpunktthema
Zukunftsmobilität zu
verfolgen.
Als Gäste waren geladen Ricarda
Becker von der deer GmbH aus
Calw, Werner Burkhardt, Nachhaltigkeitsguide
aus Sachsenheim,
Julius Emrich vom Autohaus Weller
aus Bietigheim-Bissingen sowie
Dr. Jürgen Wurmthaler vom Verband
Region Stuttgart. Moderiert
wurde die Runde durch den Redakteur
der Bietigheimer/ Sachsenheimer
Zeitung Mathias Schmid
sowie zwei Schülern des Lichtenstern
Gymnasiums. Diskutiert
wurde die Mobilitätsentwicklung
in Hinblick auf Elektromobilität,
Öffentlicher Personennahverkehr,
Wirtschafts- und Warenverkehr
und die Arbeitsplatzentwicklung
in der Stadt und Region.
Ricarda Becker betonte, dass in
Zukunft vielfältige Mobilitätsangebote
dem Kunden zur Verfügung
gestellt werden müssen, um
langfristig die Verkehrsbelastung
in der Region zu reduzieren. Als
Beispiel nennt Becker das E-Carsharing
Angebot am Sachsenheimer
Bahnhof. Hierbei teilen sich
durchschnittlich 50 Personen das
Fahrzeug. Das, so Becker sei, bei
einem Angebot von landesweit 94
Fahrzeugen, ein guter Wert. Ihre
Zielsetzung ist, dass mit dem Carsharing
Angebot insbesondere im
ländlichen Raum das derzeit vielfach
vorhandene Zweit- oder sogar
Drittfahrzeug abgeschafft wird,
um nachhaltig zu einer Verkehrsentlastung
beizutragen. Firmen
fragen im Rahmen des betrieblichen
Mobilitätsmanagements immer
häufiger bei ihr an, um ihre
Flotte zukunftsfähig zu machen.
Die deer GmbH bietet dafür ein
umfassendes Fuhrparkmanagement
an, das eine Bedarfsanalyse
und Schulung der Belegschaft beinhaltet.
In der Planung sei aktuell
das Angebot einer „Mitfahr-App“.
Werner Burkhardt steht als Nachhaltigkeitsguide
in engem Austausch
mit der Wirtschaft und
Kommunen. Die Elektromobilität
sieht er nicht als die finale Lösung
der aktuellen Verkehrsprobleme.
Er kritisiert vor allem die
schlechte Öko-Bilanz. Durch den
hohen Rohstoffbedarf für die Batterietechnologien
werden zudem
andere Länder und Gesellschaften
ausgebeutet und Naturräume
durch den intensiven Rohstoffabbau
zerstört. Der Nachhaltigkeitsgedanke,
also Ökonomie, Ökologie
und Sozialen in Einklang zu bringen,
sei bei den elektromobilen
Antriebstechnologien so nicht gegeben.
Die Unternehmen und Zulieferer
der Automobilwirtschaft
rief Burkhardt auf, Umschulungen
und Weiterbildungen für ihre
Mitarbeiter anzubieten, um Massenarbeitslosigkeit
in Folge des
derzeitigen Strukturwandels zu
verhindern.
Julius Emrich betrachtet die derzeitige
Mobilitätsentwicklung in
seinem Autohaus aus zwei Perspektiven.
Zum einen kann das Unternehmen
nur die Produkte anbieten
die die Hersteller auf den
Markt bringen. Zum anderen richten
sich die Produkte zudem daran,
was die Kunden konkret nachfragen.
In diesem Spannungsfeld
findet sich sein Autohaus wieder.
Auf die Elektromobilität bezogen
heißt das, es gebe zwar eine große
Nachfrage, aber für die Mehrheit
der Kunden kaum bezahlbare
Angebote. Neue staatliche Förderprogramme
könnten, so Emrich,
ein Weg sein, den Kauf von Elektroautos
anzukurbeln. Sein Autohaus
unterstütze innovative Technologien,
unter anderem durch
den Verkauf von E-Scootern. Dies
stelle eine gute Alternative für gewerbliche
Lieferverkehre dar. In
Zeiten des Strukturwandels sei es
auch für seinen Betrieb schwierig
gut ausgebildete Fachkräfte zu finden
und dauerhaft zu halten: „Die
Konkurrenz der Global Player in
der Region ist sehr groß“.
Dr. Jürgen Wurmthaler nahm
zum Verkehrsinfrastrukturausbau
in der Region umfassend Stellung.
Auch wenn an Sachsenheim
aktuell noch keine durchgehende
S-Bahn-Verbindung vorzuführt,
solle man die Hoffnungen nicht
aufgeben. Anpassungsplanungen
im Bereich der regionalen Infrastruktur
brauchen Zeit. Hier müsse
unter den aktuellen Rahmenbedingungen
leider noch in Dekaden
gedacht werden. Die angedachten
Metropolexpresszüge der Deutschen
Bahn hätten den Vorteil einer
schnelleren Realisierung als
eine S-Bahn-Verlängerung von
Bietigheim nach Vaihingen/Enz.
Für den Ausbau eines bedarfsgerechten
Mobilitätsangebots in der
Region sind für ihn folgende Parameter
zu berücksichtigen: Ein
vielfältiges Angebot an Antriebstechnologien,
unterschiedliche
Mobilitätsdienstleistungen, eine
bedarfsgerechte Infrastruktur und
die richtige Kommunikation der
Angebote, vor allem nutzerfreundliche,
digitale Mobilitätsplattformen.
Allerdings gab er folgendes
zu bedenken: „Wir werden auch in
Zukunft nicht gänzlich ohne Individualverkehr
auskommen“. Um
auch im Zukunft ein großes, regionales
Arbeitsplatzangebot im gesamten
Mobilitätssektor aufrechtzuerhalten,
sind die Betriebe dazu
verpflichtet, andere Branchen und
Dienstleister zu gewinnen, um
neue Angebote auf dem Markt zu
platzieren und um somit Vollbeschäftigung
zu garantieren. Dazu,
so Wurmthaler, müssen sich die
Unternehmen in der Region völlig
neu ausrichten.
Fazit der Podiumsdiskussion: Intelligente
und vernetze Mobilitätslösungen
sind derzeit noch Zukunftsmusik
in der Region. Durch
den bereits erfolgten und weiterhin
geplanten Ausbau als auch
durch die staatliche Förderung
alternativer Antriebe und Mobilitätsangebote
wurden jedoch
grundlegende Anreize für die Veränderung
hin zu einer „Mobilität
von morgen“ gesetzt. Über die Zukunftsfähigkeit
der Arbeitsplätze
in einer sich verändernden Mobilitätswelt
muss in den kommenden
Jahren weiter diskutiert werden.
Eine grundlegende Bereitschaft
zur Anpassung und Verhaltensänderung
sollte letztlich nicht nur
die Wirtschaft zeigen, sondern
auch jeder einzelne in seinem eigenen
Handeln.
Nach der Podiumsrunde bestand,
wie in der Vergangenheit, die Gelegenheit,
den Abend in ungezwungener
Atmosphäre ausklingen zu
lassen. Die Bewirtung erfolgte
durch das Lichtenstern-Gymnasium.
Es wurden Fingerfood, alkoholfreie
Getränke und der bekannte
Sachsenheimer Stadtwein
gereicht.
Mitteilungen der Stadtverwaltung
Ausgabe-Nr. 21
Freitag, 25. Oktober 2019
Jahrgang 2019
www.sachsenheim.de
Bürgermeister Albrich verdeutlich
in seiner Begrüßung die Bedeutung
von Zukunftsmobilität für die Stadt
Sachsenheim. Podiumsdiskussion mit Experten aus der Region.